Aus der Kategorie: potenzielle Klassiker, leider sehr unvorteilhaft gealtert bzw. bereits damals schon deutlich über Wert gehandelt. Bei der Oscarverleihung 1958 galt Sayonara mit stattlichen 10 Nominierungen als Top-Kandidat für den Abräumer des Abends, dicht gefolgt von Glut unter der Asche mit 9 und Die Brücke am Kwai mit 8 Nominierungen. Der strahlende Sieger wurde David Lean mit Die Brücke am Kwai und einer fast makellosen Ausbeute von 7/8, während sich Sayonara mit „nur“ 4 Awards zufriedengeben musste. Zum Vergleich: Glut unter der Asche bekam für seine 9 Nominierungen rein gar nichts und das nebenbei mit Die zwölf Geschworenen und Zeugin der Anklage zwei der besten Filme aller Zeiten (auch und speziell nach heutigem Stand) ebenfalls vollkommen leer ausgingen, spricht Bände über den bis heute allgemein oftmals seltsamen Verlauf dieser Veranstaltung ,aber insbesondere auch über den überholten Zeitgeist dieser Dekade.
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von James A. Michener durfte sich der danach mehr oder weniger langsam verschwindende Regisseur Joshua Logan (Westwärts zieht der Wind) – hier auf dem unbestreitbarem Höhepunkt seiner Karriere – mal richtig austoben. Mit extrem hohem Aufwand wurde das Melodram um den Posterboy der Air Force namens Lloyd Gruver (gespielt von dem Warner Brothers Posterboy der 50er: Marlon Brando, Die Faust im Nacken) inszeniert, der in Japan ganz unverhofft auf die Liebe seines Lebens trifft, obwohl er anfangs – wie auch viele andere in den Reihen des US-Militärs - erhebliche Ressentiments gegen eine Liaison mit einheimischen Frauen hat. So sträubt er sich zunächst, als Trauzeuge für seinen Kameraden Kelly (oscarprämiert: Red Buttons, Poseidon Inferno) zu fungieren, der eben eine solche Einheimische (ebenfalls oscarprämiert: Miyoshi Umeki, Cry For Happy) ehelicht. Letztlich lässt er sich breitschlagen und entdeckt nachdem seine Verlobung zu Eileen (Patricia Owens, Die Fliege), der Tochter seines Vorgesetzen, an grundsätzlichen Interessenskonflikten zu scheitern droht, plötzlich selbst amouröse Gefühle zu einer Japanerin: Hana-Ogi (Miiko Taka, Schlacht um Midway), dem Star einer Matsubayashi-Theatergruppe.
Im Kern soll Sayonara sicherlich eine wichtige und relevante Botschaft vermitteln. Zwei vor noch nicht all zu langer Zeit verfeindete Nationen befinden sich noch auf einem Wiederannährungs- bzw. erstmaligen Kennenlernprozess, was natürlich nicht ohne erhebliche Probleme vor sich geht. Insbesondere, wenn gewisse Prozesse direkt dagegen steuern. In diesem Punkt – der deutlichen Kritik an rassistischen Denkweisen und entmenschlichenden Strukturen des US-Militärs, was für eine Hollywood Großproduktion seines Zeitraum alles andere als selbstverständlich ist -, mag Sayonara sogar immer noch wirklich funktionieren, wenn natürlich nicht mit ganz hohem Anspruch. Aber für seinen zeitlichen Kontext ist das zumindest löblich. Rein handwerklich unumstritten zeitlos ist die fabelhafte Arbeit des gesamten Set-Design: in diesem Punkt wirkt Sayonara so unverschämt grandios, jeder Preis der Welt wäre dafür mehr als angemessen. Von den zahlreichen Theater-Sequenzen bis hin zum kleinsten Detail in jeder beliebigen Momentaufnahme, hier wurde irrsinnig viel Aufwand betrieben und das Ergebnis ist über jeden Zweifel erhaben (speziell im heutigen CGI-Wunderland sticht so was noch deutlicher hervor).
Praktisch hervorragend, theoretisch ambitioniert, worin liegt denn nun das Problem eines vierfachen Oscargewinners? Der Rest ist zum Teil beschämend bzw. extrem schlecht gealtert. Zeitlos absurd ist das Gehabe von Marlon Brando, dem sein Erfolg spätestens hier komplett den gesunden Menschenverstand geraubt haben dürfte. Sein affiger Manierismus, inklusive eines komplett übertriebenen Südstaaten-Akzents, grenzt an eine unfreiwillige Karikatur. Im O-Ton ist der Mann teilweise kaum zu verstehen, wenn er seine Dialogzeilen völlig unnötig in den nicht vorhandenen Bart murmelt und nuschelt; es ist wirklich schwer auszuhalten. Seine Figur ist eh nicht sonderlich vorteilhaft geschrieben: ein (speziell durch Brando’s lächerlich Gockel-haftes Spiel) unsympathischer Großkotz-Macho erobert das Herz einer exotischen und angeblich stolzen Schönheit allein durch pure, penetrante Präsenz, heute würde man das zurecht als mindestens Zudringlich wenn nicht sogar als Stalking bezeichnen. Und was passiert? Natürlich wirft diese Frau ihre anfänglich als so stark angepriesenen (und historisch auch sehr verständlichen) Prinzipien über Bord, weil…tja, gute Frage. Frauen halt und ist eben Brando.
Diese kaum nachvollziehbare bis sogar unangenehm wirkende „Romanze“ mag schon gar nicht funktionieren, hinzu kommen die unzähligen Klischees und Stereotypien, die Sayonara heutzutage in einem nicht wirklich gutem Licht erscheinen lassen. Es gibt hier zwar zwei relativ wichtige einheimische Frauenfiguren, leider müssen sie sich Rollenmustern unterwerfen, die kaum über die Denkweise und Erwartungshaltung des durchschnittlichen US-Publikums der 50er hinausgehen. Dankbar, unterwürfig und selbst wenn ein großmäuliges US-Trampeltier (aus „den richtigen Gründe“) kulturelle Regeln mit Füßen tritt, ist das eher romantisch als respektlos. Sehr skurril und vor allem komplett unnötig ist das Engagement von Ricardo Montalban (Star Trek II: Der Zorn des Khan) als Japaner, obwohl man ja sonst alle vergleichbaren Rollen mit Einheimischen besetzte. Heute unter einem White-Washing-Aspekt ein klares No-Go, aber man muss auch ganz ehrlich attestieren: vergleicht man das mal mit der Mickey Rooney-Entgleisung in Frühstück bei Tiffany ist das verhältnismäßig in Ordnung, dennoch völlig sinnlos.